Was ist eine artgerechte Haltung von Eltern?
Ich persönlich finde es wichtig, zusätzlich zum Gedanken betreffend die natürlichen Bedürfnisse des Kindes, auch immer wieder zu fragen „Was ist denn artgerecht für uns Eltern?“
Der homo sapiens ist eine kollektiv aufziehende Spezies. Der Mensch kann sich so teure Kinder (9 Monate Schwangerschaft und 16 bis 18 Jahre bis zur Selbständigkeit) nur deswegen leisten, weil er eine Sippe hat, in welcher die Menschen gegenseitig gehalten und unterstützt werden. Eine Isolation von biologischem Vater, biologischer Mutter und ihren Kinder in einem eingefriedeten Bereich ist nicht unsere artgerechte Lebensform. Noch weniger ist es artgerecht, wenn einer der Kindsversorger stundenlang oder gar über Jahre hinweg alleine mit den Kindern ist und/oder die Nahrung und Behausung den tragbaren Wetterschutz (Kleidung) alleine beschaffen/erschaffen muss und noch dazu empfänglich für die Emotionen der Kinder bleiben soll.
Wir dürfen uns das stets vor Augen halten, wenn wir mit unseren Aufgaben überfordert sind: Wir leisten gerade menschenunmögliches. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir dürfen uns das auch vor Augen halten, wenn wir mit unseren Brüdern und Schwestern im Herzen und mit unseren Ältesten sprechen und uns ihnen unverhüllt und ehrlich zeigen: Vermutlich wissen sie, wovon wir sprechen.
Warum gibt es eigentlich Grossmütter
Als ich diese Frage zum ersten Mal gehört hatte, fiel bei mir ein Felsbrocken ab!
Ja warum haben wir Menschen Grossmütter? Bei der überwiegenden Mehrheit der Spezies kann das Weibchen, wenn es seinen Betrag an den Fortbestand der Spezies durch Nachkommen geleistet hat, nicht noch jahrelang weiter leben. Warum leisten wir Menschen uns – neben den superteuren 18 Jahre lang reifenden Kindern – noch dazu Grossmütter, welche das Essen der Sippe essen und keine Nachkommen generieren? Offenbar haben diese Grossmütter aber eine Funktion, sonst hätten wir sie nicht im Laufe der Generationen durch natürliche Selektion als Auslese „erschaffen“. Es gibt die Theorie, dass die Grossmütter die Sprache gebracht haben: Weil sie so ihren Nachkommen ihr Wissen weitergeben konnten: Das Wissen um die Kinderversorgung, das Wissen darum, wo man die besten Wurzeln und Knollen findet, das Wissen um heilende Kräuter. Es gibt auch die Theorie anhand der Analyse von Knochenfunden, dass die Grossmütter ein mehrfaches ihres täglichen Nahrungsverbrauches „anschleppten“ und dass die Produktivität bei der Nahrungsbeschaffung von Jugend bis hohes Alter ständig steigt.
Wer mehr dazu erfahren mag, dem empfehle aus tiefstem Herzen das Buch “Mother Nature“ der Antorpoligin Sarah Blaffer-Hrdy
Ich will damit nicht sagen, dass unsere heutigen Grossmütter das Gleiche tun sollen. Beileibe nicht. Unsere Mütter und Grossmütter haben bereits menschenunmögliches getan und getragen. Was ich damit sagen will ist, dass eine Gesellschaft, in welcher Grossmütter um ihr Einkommen bangen müssen, anstatt dass wir ihren unglaublichen Beitrag an uns als Menschheit würdigen, nicht artgerecht sein kann.
Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen eine Gesellschaft, in welcher wir auch das Tragen von Wissen und das Versorgen der Sippe als unglaublich wertvolles Gut würdigen und entschädigen. Eine Gesellschaft, in welcher wir uns tragen und halten und unsere Kosten der Fortpflanzung gemeinsam tragen.